Der Gegensatz dazu ist die filtrierte Variante, früher als „Champagnerweizen“, heute als „Kristallweizen“ bezeichnet. Wenn dunkle Weizen- oder Gerstenmalze verwendet werden, entsteht ein „Dunkles Weizen“ bzw. „Dunkles Weißbier“. Naturgemäß spielen hier sensorisch die Malzaromen eine größere Rolle. Die kräftigeren Versionen von hellem und dunklem Weizen sind Weizenbock und Weizendoppelbock, der stärkste Vertreter ist der Eisbock, beispielsweise von Schneider aus Kelheim. Eine Sonderrolle spielt die „Berliner Weisse“, der ein eigener Text gewidmet ist.
Historisch hat das heutige Weißbier seinen Ursprung am Ende des Mittelalters, als überall in Mitteleuropa Biere mit Gersten- und Weizenmalz gebraut wurden. Die erste Erwähnung des Begriffes stammt aus dem 16. Jahrhundert, als das niederbayerische Adelsgeschlecht der Degenbergers am 3. August 1548 von Herzog Wilhelm IV. das Privileg zum Weißbierbrauen im Bayerischen Wald und Teilen Böhmens erhielt. Anschließend erbauten sie die erste namentlich „Weißbier Brauerei“ in Schwarzach, später weitere Brauereien in Zwiesel und Linden. Als der Sohn Wilhelms, Herzog Albrecht V., 1567 das Brauen von „Weißem Bier“ im gesamten Herzogtum Bayern verbot, bleiben die Degenbergers ausgenommen. Mit dem Tod des letzten Vertreters des Adelsgeschlechtes im Jahr 1602 zog der Urenkel Wilhelms, Maximilan I., das Privileg wieder zurück und nahm das lukrative Weißbierbrauen wieder in die eigenen Hände. 1603 kaufte er das einzige weitere verliehene Weißbierprivileg mit dem Erwerb von Schloß und Markt Winzer (bei Regensburg) ebenfalls zurück und bescherte den Wittelsbachern in der Folge das Weißbiermonopol, denn das Brauverbot von 1567 blieb weiterhin in Kraft. Maximilians Maxime war klar: „Ein fürst, so nit bei diser itzigen bösen welt reich ist, der het kein authoritet noch reputation.“
Neben dem bestehenden „Braunen Hofbräuhaus“ ließ der Herzog 1607 in München ein „Weißes Hofbräuhaus“ erbauen, um die stetig steigende Nachfrage befriedigen zu können. Denn das Weißbier war spritziger und erfrischender als die üblichen Braunbiere. Außerdem war das Weizen das Bier des Adels und der gehobenen Bürgerschicht – und damit auch für die Menschen auf den unteren Stufen der sozialen Leiter besonders attraktiv. Als die Kapazitäten in München nicht mehr ausreichten, folgten 21 weitere kurfürstliche Brauhäuser im ganzen Land, beispielsweise in Kelheim, Cham, Traustein, Vilsholfen, Mattighofen (heute Österreich), Mindelheim, Hals, Weichs, Mehring, Weilheim und Miesbach. Aus Ingolstadt ist überliefert, dass die Studenten bei ihrem Weißbierdurst unzufrieden mit der langwierigen Versorgung aus dem ca. 50 Kilometer entfernten Kelheim waren. Denn mit dem Schiff über die Donau dauerte ihnen der Transport zu lange. Also sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, eine Straße von Kelheim nach Ingolstadt zu bauen, um die zeitnahe Bierversorgung zu sichern. Diese erste „Bierstraße“ der Geschichte hat eine gewisse Kontinuität in der heutigen „Bayerischen Bierstraße“.
Die Herrscher sicherten sich noch auf eine andere Weise den Umsatz mit ihrem kostbaren Bier: In der Landesordnung von 1553, bestätigt in der Polizeiordung von 1616, verbot der Herzog das Brauen vom sonst üblichen „Braunbier“ zwischen Georgi (23. April) und Michaeli (29. September). Sein Weißbier durfte aber weiterhin ganzjährig hergestellt werden. Zudem war jedes Gasthaus verpflichtet, neben Braunbier auch Weißbier auszuschenken. Die Einnahmen aus dem Weißbierverkauf trugen wesentlich zum Bayerischen Staatshaushalt und auch zur Finanzierung der hohen Kosten des Dreißigjährigen Krieges bei.
Diese Politik fand jedoch nicht nur Zustimmung. Auf den Landtagen äußerten die Bürgervertreter immer wieder Kritik am Weißbiermonopol und verwiesen unter anderem darauf, dass damit für die Brotversorgung wichtiger Weizen „verschwendet“ werden und deswegen die Brotqualität sinken, die Brotpreise jedoch steigen würden. Die Herrscher kümmerte das allerdings wenig, noch 1761 erging folgender Erlass: „Weißes Weizenbier zu sieden ist im ganzen Lande weder zum Verschleis noch Haus-Trunck jemand berechtigt, sondern dieses gebühret obverstandenermassen der gnädigsten Landes-Herrschaft ganz allein.“
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich die Brautechnik für (untergäriges) Braunbier soweit verbessert, dass es qualitativ mit dem Weißbier mithalten konnte, wodurch auf die Nachfrage nach dem reinen Gerstenbier immer größer wurde. Kurfürst Karl-Theodor hob 1798 das Monopol auf, und jedermann durfte nun Weizen brauen. Zwischen 1800 und 1812 verkaufte oder verpachtete das Herrscherhaus die unrentabel gewordenen Weißen Brauhäuser.
Wesentlich zum Erhalt des Bierstiles beigetragen hat Braumeister Georg Schneider, der 1855 das Weiße Brauhaus in München pachtete. Er wusste, dass das benachbarte Braune Hofbräuhaus dringend eine Erweiterung suchte und handelte mit dem Königshaus einen Deal aus: Im Gegenzug für die Aufgabe des Weißen Brauhauses, das in der Folge einem Neubau des Braunen Hofbräuhauses weichen musste, erhielt er für sich und seine Nachkommen das ersten königliche Weißbierprivileg. 1872 kaufte er die ehemalige Maderbräu im Tal, Schauplatz des Bierkrieges von 1. Mai 1844 und heutiger Standort des Schneider Bräuhauses, um dort mit „seinem“ Weißbier zu beginnen. In den folgenden Jahren vervielfachte er den Ausstoß und begann, sein Bier nach ganz Bayern, Schwaben und in Teile Österreichs zu exportieren.
Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang Schneider und in der Folge auch anderen bayerischen Weißbierbrauereien wie beispielsweise der fränkischen Maisel-Brauerei ein kometenhafter Aufstieg an der Seite des Wirtschaftswunders. Denn während die Gastronomien beim Ausschank untergäriger Biere fast immer an eine bestimmte Brauerei gebunden waren, stand ihnen die Ergänzung des Angebotes durch das (in der Regel im Sortiment der Vertragsbrauerei nicht vorhandene) obergärige Weißbier frei. Dies nutzten die cleveren Bayern, um im gesamten Bundesgebiet in der Gastronomie präsent zu werden und damit das Weizen wieder zu einem der beliebtesten Bierstile Deutschlands zu machen. Mit zu der Entwicklung beigetragen hat die Verbreitung des alkoholfreien Weizens als isotonische und mineralien- wie vitaminreiche Alternative zu Limonade und Apfelschorle.
Sensorisch zeichnen ein Weizen wie gesagt die Aromen der obergärigen Hefe aus. In den meisten Weizenbieren lässt sich deshalb eine deutliche Bananennote feststellen, dezent begleitet von Gewürznelke. Bei einigen Vertretern dominiert auch die Nelke vor der Banane. Eine Besonderheit stellt die „Hopfenweisse“ dar, bei der intensive Hopfengaben für ein zusätzliches Aroma sorgen. Der Pionier in diesem Bereich ist die „Schneider & Brooklyner Hopfen-Weisse“ von Schneider, heute „TAP 5 – Meine Hopfenweisse“ genannt. Hans-Peter Drexler, Braumeister bei Schneider, und Garrett Oliver, Braumeister der New Yorker Brooklyn Brewery, brauten sie als gemeinsames Projekt 2007 ein. In Deutschland ab 2009 erhältlich, gilt sie als eines der ersten deutschen Craft-Biere der neuen Generation.
Autor: Markus Raupach
Fotograf, Journalist, Bier- und Edelbrandsommelier
Ausgezeichnet mit der Goldenen Bieridee 2015
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