Um 1800 war das Weißbiermonopol für die Bayernherrscher nicht mehr wirtschaftlich, und so hoben sie das Monopol auf und verkauften nach und nach ihre Weißen Brauhäuser. Hier kommt nun die Familie Schneider ins Spiel. Denn es war Georg I. Schneider, der 1855 das Weiße Brauhaus in München pachtete. Er wusste, dass das benachbarte Braune Hofbräuhaus dringend eine Erweiterung suchte und handelte mit dem Königshaus einen Deal aus: Im Gegenzug für die Aufgabe des Weißen Brauhauses, das in der Folge einem Neubau des Braunen Hofbräuhauses weichen musste, erhielt er für sich und seine Nachkommen das ersten königliche Weißbierprivileg. 1872 kaufte er gemeinsam mit seinem Sohn, Georg II. Schneider, die ehemalige Maderbräu im Tal, Schauplatz des Bierkrieges von 1. Mai 1844 und heutiger Standort des Schneider Bräuhauses, um dort unter dem neuen Firmennamen „G. Schneider & Sohn“ mit „seinem“ Weißbier zu beginnen. Das Bierrezept wird heute noch unverändert genutzt und gibt den „Klassiker“ des Hauses, das „TAP 7 Mein Original“. Georg II. Schneider hatte schon mit 26 Jahren das Braumeisterdiplom erworben und investiert klug in die Entwicklung der neuen Brauerei. Dank seines Ansehens gehört er zu den Gründungsmitgliedern des Bayerischen Brauerbundes. In den folgenden Jahren vervielfachte er den Ausstoß und begann, sein Bier nach ganz Bayern, Schwaben und in Teile Österreichs zu exportieren.
Georg III. Schneider, 1870 geboren, war von großem Entdecker- und Pioniergeist beseelt. Er sammelte allerlei exotische Raritäten aus aller Welt, darunter vor allem Krokodile, musste aber im Schicksalsjahr 1890, als sein Vater und sein Großvater beide starben, im Alter von nur 20 Jahren die Geschäfte übernehmen. Doch auch dabei bewies er großes Geschick und erkannte die Herausforderungen der Zeit. Als erste und älteste Weißbiermarke beantragt Schneider einen Markenschütz beim Münchner Patentamt. Georg III. Schneider lag die Gastronomie sehr am Herzen. Er ließ die Münchner Schankräume umbauen und renovieren, sodass die Brauerei zu einem echten Publikumsmagneten der Gründerzeit in der bayerischen Hauptstadt wurde.
Doch auch dem dritten Sproß der Dynastie war nur eine kurze Lebenszeit vergönnt. Mit 35 Jahren verstarb er 1905 und hinterließ neben zwei Töchtern und seiner Frau Mathilde den damals erst sechsjährigen Georg IV. Schneider. Die Witwe hatte sich in den Kopf gesetzt, den Betrieb für ihren Sohn zu erhalten und weiter auszubauen, was ihr mit der Hilfe naher Verwandter auch gelang. 1907 führte das Brauhaus den Weizendoppelbock „Aventinus“ auf dem Markt ein, das erste Weizenstarkbier Bayerns. Damals war es allerdings noch unüblich, dass Frauen eine Firma führten, und so blieb Mathilde Schneider eher im Hintergrund und schaffte es, dass die Brauerei zu Beginn des Ersten Weltkrieges die größte Weißbierbrauerei Süddeutschlands war.
Wie alle Brauereien hatte auch die Schneider-Brauerei unter dem Rohstoffmangel des Krieges zu leiden, die anschließende Inflation ließ den Preis für eine Maß Weißbier auf fast 13 Millionen Mark steigen. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen der Branche, konnte Schneider aber der Pleite entgehen und ging letzten Endes sogar gestärkt aus dieser schweren Zeit hervor. 1924 übernahm der mittlerweile 24-jährige Georg IV. Schneider schließlich selbst das Ruder und kaufte gleich mehrere der gestrauchelten ehemaligen Konkurrenten in München, Straubing, Augsburg und – Kelheim, das ehemalige dortige „Weiße Brauhaus“. Die Brauerei war zu dieser Zeit natürlich auch auf dem Oktoberfest vertreten. Das Rezept des damaligen Festbieres bildet die Grundlage für das heutige „TAP 4 Meine Festweisse“. Schneider widerstand dem Druck des rechten Mobs und verweigerte den Eintritt in die NSDAP, auch wenn das schmerzliche Einschnitte wie beispielsweise den Ausschluss seines Bieres bei Parteiveranstaltungen bedeutete. Der Zweite Weltkrieg traf die Brauerei besonders hart. Denn die Bomben zerstörten die Brauerei im Münchner Tal, sowie die Außenstelle in Augsburg komplett. Georg IV. Schneider beschloss, erst einmal in der weitgehend unzerstörten Kelheimer Brauerei wieder zu starten. Schon vier Monate nach Kriegsende erteilten die US-Besatzungsbehörden die Erlaubnis, die Weißbierproduktion wiederaufzunehmen.
1958 trat mit Georg V. Schneider ein wahrer „Dirigent“ in die Fußstapfen seiner Vorgänger. Er modernisierte die Kelheimer Brauerei und begann, die Auslandsmärkte zu erschließen. Nach Österreich und der Schweiz gelang Schneider der Sprung über den großen Teich in die USA. Doch auch in Deutschland ging es in der Folge der Wirtschaftswunderjahre wieder aufwärts. Denn während die Gastronomien beim Ausschank untergäriger Biere fast immer an eine bestimmte Brauerei gebunden waren, stand ihnen die Ergänzung des Angebotes durch das (in der Regel im Sortiment der Vertragsbrauerei nicht vorhandene) obergärige Weißbier frei. Dies nutzten die cleveren Bayern, um im gesamten Bundesgebiet in der Gastronomie präsent zu werden und damit das Weizen wieder zu einem der beliebtesten Bierstile Deutschlands zu machen. Erst 1993 war die Renovierung des Weissen Brauhauses im Tal in München abgeschlossen, die Kriegsschäden beseitigt und der Zustand von 1905 wiederhergestellt. Mit leichten und alkoholfreiem Weißbier erweiterte Georg V. clever und vorausschauend sein Sortiment und hinterließ seinem Sohn, Georg VI. Schneider, ein kerngesundes Unternehmen.
Der „neue“ Schneider machte sich an einen komplett neuen Markenauftritt und erweiterte das Vertriebsnetz, so dass Schneider nun auf sechs Kontinenten der Erde getrunken werden konnte. Mit Kreativität und weiser Voraussicht entwickelte er die Craft-Bier-Vorreiter „Aventinus Eisbock“, „TAP 5 Meine Hopfenweisse“ und das erste Sauerbier, „Cuvée Barrique“. Mit regelmäßigen Sondersuden und Collaboration Brews schaffte der neue Präsident des Bayerischen Brauerbundes die Voraussetzungen für eine solide Verankerung seines Unternehmens, sowohl im traditionellen Bierbereich, als auch in der Welt der Craft Biere.
Autor: Markus Raupach
Fotograf, Journalist, Bier- und Edelbrandsommelier
Ausgezeichnet mit der Goldenen Bieridee 2015
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