„Bayrisch Nizza“, ein hopfengestopftes, normalalkoholstarkes Weizen, entwickelte sich als „Clubbier“ schnell zu einem echten Renner. Es sollte auch der Craft-Szene ein „Easy-Drinking-Bier“ geben, mit dem die Gäste, durchaus einfach nur mit der Flasche in der Hand, um Tische herumstehen und über Gott und die Welt – oder die hübsche Frau auf der Tanzfläche – philosophieren konnten. Der Name rührt von zwei Geschichten her. Einerseits war für König Ludwig I. sein Lieblingsurlaubsort Aschaffenburg und wegen des milden Klimas ein echtes „Bayrisch Nizza“, andererseits steht ein obergäriges Weizen klar für die bayerische Biertradition, während die fruchtig-floralen Aromen aus dem Hopfen an die Leichtigkeit der Mittelmeerküste rund um Côte d’Azur und Nizza erinnern. Das „Müller Dreistern Sommelierbier“ für die gehobene Gastronomie und kurz darauf der Collaboration Brew OARIS (mit Thorsten Schoppe von Schoppebräu Berlin – Oak Aged Russion Imperial Stout) komplettierten die Palette.
Schnell stellte sich Erfolg ein – Müller erhielt den Ratebeer Award 2013 als bester Newcomer in Bayern – und rief die Wächter auf den Plan. Denn der Bayerische Brauerbund störte sich an der Bezeichnung „Bayrisch“ Nizza. Schließlich hatte der Entrepreneur zu diesem Zeitpunkt keine eigene Braustätte in Bayern und „gehörte nicht dem Kontrollsystem zum Schutz der Bezeichnung Bayerisches Bier an“. Amerikanische Hopfen und Kalthopfung seinen ebenfalls nicht bayerisch... Keine leichte Zeit für den Brauer. Anwaltsschreiben gingen hin und her, Etiketten wurden in Frage gestellt, gar die Einstellung des Nizza-Bieres diskutiert. Am Ende entschied der Kontrollausschuss des Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, dass das Bayrisch Nizza Clubbier ein „Bayerisches Bier“ sein und bleiben darf. Da fielen einige Steine vom Brauerherzen.
Der nächste große Wurf des Aschaffenburgers war das IPA „Backbone Splitter“, das von Beginn an in den hohen 90er-Wertungen bei Ratebeer stand. Das West Coast IPA – ungewöhnlich für den deutschen Craftbier-Markt – eroberte schnell die Herzen der Szene und gehört mittlerweile zu den Referenzbieren des Bierstils. Im Unterschied zu den britischen und den IPAs der Ostküste stecken in einem West Coast IPA wesentlich mehr Bittereinheiten und vor allem intensivere, meist fruchtige Hopfenaromen. Mit dem „Backbone Splitter“ (Rückgrad-Spalter) führte Müller auch die neue Marke „Hanscraft & Co.“ ein, die das „Sommelierbier“ schnell an Popularität überholte und schließlich obsolet machte. Damit lag der Fokus eindeutig auf aromastarken Craft-Bieren. Spannende Gebräue wie das Wit „Very White Pornstar“ (mit Mashsee, Hannover), das Imperial Stout „Black Nizza Motor Øl“, das Black IPA „Black Pornstar“, das Saison „Saison Julie“ und das Kellerbier „Single Hop Kellerpils“ folgten. Letzteres vereint die Drinkability eines fränkischen Kellerbieres mit den feinen Aromen des Hallertauer Blanc Hopfens und hat schnell viele Freunde gefunden.
Der neueste Streich von Christian Hans Müller hat seine Wurzeln in Irland. Als Whisky-Liebhaber kam ihm die Idee, ein Bier zu brauen, das sich besonders gut für die Einlagerung in den Whisky-Fässern der irischen Brennerei Jameson eignete. Schließlich steht die Destillerie seit 1780 für feinsten irischen, dreifach gebrannten Whiskey. Heute stammen über 75% des aus Irland exportierten Whiskeys aus der Jameson-Anlage. Der gute Tropfen, aus einer Mischung von unvermälzter und vermälzter Gerste, wird zur Lagerung in Eichenfässer aus Spanien, Portugal und den USA, in denen zuvor Sherry, Portwein oder Bourbon reiften, gegeben. Müller flog also auf die grüne Insel und ging dem dortigen Whiskey so richtig auf den Grund – bei Jameson Head Cooper (Fassbinder) Ger Buckley persönlich. Am Ende waren sich Brauer und Brenner einig: Ein spezielles helles Bockbier sollte in den Eichenfässern reifen. Die hatten viele Jahre dem Gerstenbrand ihr Aroma verliehen, dabei aber auch seines aufgesogen. Frisch geleert traten sie die Reise ins bayerische Wiesen an und freuten sich auf die neue Aufgabe. Vier Monate lang mischten sich Bier, Holz und Whiskey – das Bockbier erhielt ein einzigartiges Finish und kam als „Taithí Nua“, ausgesprochen „Tai Nua“, auf den Markt. Der Name bedeutet „neue Erfahrung“ – und genau das erlebten die begeisterten Biergenießer auch, sobald sie den ersten Schluck dieser Spezialität verkosten konnten.