Was ist das richtige Gefäß, um Bier in kleinen Mengen aufzubewahren und was ist das richtige, um daraus zu trinken? Diese Frage beschäftigt die Menschheit schon seit Tausenden Jahren. Am Anfang stand sicherlich das Tongefäß, doch Archäologen fanden schon in Ägypten glasartiges Material aus der Zeit um 5000 v.Chr. Beides entwickelte sich weiter und während die verhältnismäßig günstige Keramik zum Alltagsgegenstand wurde, blieb das edle Glas den Wohlhabenderen und Adligen vorbehalten. Im Frankenreich stellten die Glashütten ab dem 5. Jahrhundert in den alten römischen Zentren Belgiens, Frankreichs und des Rheinlandes, nicht zuletzt wegen des feinen, sauberen Rheinsandes, einfache Trinkbecher und Flaschen aus einer grünlichen Glasmasse her. Bier getrunken wurde zu dieser Zeit in erster Linie allerdings aus Steinkrügen und Lederbeuteln. Erst in der Blütezeit Venedigs wurde Glas wieder für derart profane Zwecke verfügbar. Die Lagunenstadt hütete ihre Glasmacherkunst und verbot bei Todesstrafe die Abwanderung der Handwerker. Um sie besser kontrollieren zu können, verlegten die Venezianer um 1290 alle Glashütten auf die Insel Murano und in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstand dort auch das erste wirklich klare Glas, das Cristallo. Die Glasmacher nördlich der Alpen schafften es dennoch, die venezianische Kunst zu kopieren und „Glas à la façon de Venise“ herzustellen. Im Rheinland erfreuten sich verzierte Schmuckhumpen im 17. Jahrhundert großer Beliebtheit. Eine Variante war das mit Ringen verzierte „Passglas“. Die Zecher ließen es mit Bier gefüllt reihum gehen und jeder Schluck sollte die Höhe eines Ringes durchmessen. Trank man zu viel, galt man als maßlos, trank man dagegen weniger, beleidigte man den Gastgeber. So ähnlich lief auch die Bierversorgung in den Haushalten. Bedienstete – in einfacheren Verhältnissen das kräftigste Kind – wurde mit einem großen Krug oder einer Kanne, meist mit einem Fassungsvermögen von ca. drei Litern, zur nächsten Brauerei geschickt, um frisches Bier zu holen. Als Dank für den Transport winkte die Möglichkeit, auf dem Weg ordentlich am Krug zu nippen, denn schließlich konnte die Füllmenge ja nicht kontrolliert werden. Zu Hause angekommen, ließen die Familienmitglieder den Krug so lange kreisen, bis er ausgetrunken war, danach begann das Spiel von Neuem.
Bei den Biertrinkern erfreute sich seit dem Ende des Mittelalters allerdings noch ein anderes Gefäß großer Beliebtheit. Ab dem 14. Jahrhundert war das Zinngießen in Mode gekommen und etablierte einen Krug aus eben diesem Material. Der hatte in vielen Fällen bereits einen kleinen Maßzapfen an der Innenseite, um eine geeichte Füllmenge anzugeben. Mit der Entwicklung von modernem Steingut stand ab 1825 eine preisgünstige, gutaussehende und leicht zu reinigende Alternative zur Verfügung. Vom Zinnkrug blieb lediglich der Deckel als typologisches Rudiment erhalten. Dieser ist auch der Ursprung der Redenwendung „eingeschnappt sein“. Wenn jemand beleidigt war, wollte er nicht mehr weitertrinken und ließ seinen Krugdeckel zuschnappen.
Die größte Verbreitung fand der Krug in Bayern, wo er auch als „Maß“ – synonymisch für einen Liter Bier – bezeichnet wird. Im „Bayerischen Wörterbuch“ des Sprachforschers Johann Andreas Schmeller heißt es um 1830: „Auf einen Sitz zwei, drei Maß zu trinken ist etwas Gewöhnliches, vier, fünf, sechs nichts Außergewöhnliches. Es gibt Leute, die tagtäglich ihre 10, ja 20 Maßln zu Leibe nehmen.“ Die bayerische Maß fasste zu dieser Zeit ordentliche 1,069 Liter, als kleinere Einheiten hatten sich noch die „Halbe“, also eine halbe Maß, und das „Quartl“ oder „Seidel“ mit etwa einem viertel Liter Inhalt etabliert. Das Seidel geht auf das lateinische Wort „situla“ für Eimer zurück. Heute gibt es das Seidel noch in Österreich, wo es 0,3 Litern Bier entspricht, und in Franken als „Seidla“, wo man einen halben Liter eingeschenkt bekommt. Die günstigste Krug-Variante war der „Keferloher“, ein schmuck- und deckelloser Tonkrug mit einfacher Textglasur, der als Wegwerf-Artikel beim Pferdemarkt im Münchener Vorort Keferloh im obligatorischen Bierausschank Verwendung fand. Das internationale Chaos der Maßeinheiten wurde Ende des 19. Jahrhunderts geordnet, als sich der Liter als Bemessungsgrundlage durchsetzte. Lediglich in den Pubs Großbritanniens und Irlands hat sich das Pint erhalten, das 0,568 Litern entspricht, das ebenfalls angebotene Halfpint dürfte sich von selbst erklären. Australien führte zum Millennium das metrische System ein, weswegen dort von einem „metric“ Pint die Rede ist, das einen halben Liter fasst. In den USA waren früher ebenfalls Pints üblich, die 0,473 Litern entsprachen. Hier hat sich nur das „Ladies‘ Pint“ erhalten, ein US-Halfpint, das aber vor allem auf den britischen Inseln ausgeschenkt wird.
Die Kunst des Glasmachens erreichte 1607 auch die Neue Welt, als in Jamestown, Virginia, die erste Glashütte Amerikas ihre Pforte öffnete. Erfahrene Glasbläser fertigten in der Stunde etwa 40 Halbliterflaschen. Verbesserungen in Europa und den USA sorgten für immer preiswerteres Glas, bis der Glasbläser Michael Joseph Owens 1903 in New Jersey die erste automatische Flaschenblasmaschine in Betrieb nahm. Das Gerät war einer der ersten Vollautomaten und konnte pro Minute neun Flaschen herstellen, also etwa 15 000 am Tag. Die „Owens Bottle Machine Co.“ mit ihren drei Millionen Dollar Stammkapital revolutionierte die Glasindustrie und verkaufte das Patent 1907 für zwölf Millionen Mark an den Europäischen Verband der Flaschenfabriken. Nur ein Jahr später wurde in Düsseldorf bereits der Startschuss für die vollautomatische Flaschenherstellung gegeben. Damit war die Industrialisierung auch bei den Glasherstellern angekommen und hatte zudem einen bedeutenden Nebeneffekt: In der Gastronomie setzten sich die Biergläser durch und viele Gäste konnten zum ersten Mal sehen, was sie da eigentlich tranken. War das Aussehen des Bieres im Stein- oder Zinnkrug noch relativ egal, machte es nun für viele einen deutlichen Unterschied, ob ein trübes Braunbier oder ein leuchtend strahlendes Helles im Glas lockte. Dieser Effekt trug wesentlich zum Erfolg des Pils und später auch des Champagner- oder Kristallweizens bei. Filtrierte Biere wurden als qualitativ hochwertiger empfunden und erst seit den 1990er-Jahren ist – im Kielwasser des Trends zu „natürlichen“ Produkten – das unfiltrierte Bier wieder auf dem Vormarsch.
Aus einer Enzyklopädie von 1775 ist überliefert, dass Flaschen einen zylindrischen Körper, grüne Farbe und ein Fassungsvermögen von 0,25 bis 0,7 Litern hatten. Ab 1785 durften die Münchener Brauereien Bier „in Flaschen und Poutollien“ einen Pfennig teurer als verkaufen als im offenen Ausschank und ab 1810 verkauften die lokalen Bierkeller unter anderem auch Flaschenbier. Ebenfalls in Flaschen erreichte das Stettiner Doppelbier zehn Jahre später den Berliner Markt und um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es üblich, dass Bierfuhrleute auf ihrer Tour den Gerstensaft in Flaschen abfüllten und direkt an die Haushalte verkauften. Die großen Münchener Brauereien setzten um 1860 schließlich auf genormte Ein-Liter-Glasflaschen, anfangs mit Sektkorkenverschluss, Porzellanpfropf mit Zinngewinde oder Hartgummideckel. 1875 patentierte der Berliner Carl Dietrich den Bügelverschluss und Porzellankopf und bereits fünf Jahre später fertigten die Glasbläser die Flaschen mit den passenden Löchern. Trotz erster Experimente ab 1872 konnten sich die Drehverschlüssen in Deutschland nicht durchsetzen, während die Briten großen Gefallen an einem System mit einem Gummistöpsel fanden, der in ein im Glas integriertes Innengewinde gedreht wurde.
1880 hatte das Deutsche Reich Großbritannien als größte Bier-Exportnation der Welt abgelöst, wobei im Inlandsmarkt der Fassverkauf dominierte. Gleichzeitig stieg der deutsche Bierkonsum von 14,5 Millionen Hektolitern im Jahr 1850 auf 66,6 Millionen Hektolitern zur Jahrhundertwende. Die Popularität der Bierflasche nahm dabei deutlich zu und wurde durch die Entdeckung der Pasteurisation, die dem Bier eine deutlich längere Haltbarkeit verlieh, zudem begünstigt. Ein Beispiel für den Wandel ist Bayern, wo der Flaschenbieranteil von 5% im Jahr 1905 auf 56% knapp 50 Jahre später anstieg. Die große Vielfalt an Flaschenformen und -größen blieb in Deutschland auch über das Jahr 1936 erhalten, als zwar mit dem Maß- und Eichgesetz vom 1. April Flaschengrößen von 0,33 l, 0,5 l und 0,7 l verbindlich festgelegt wurden, diese Regelung aber aufgrund des Kriegsausbruchs nicht mehr in die Praxis umgesetzt werden konnte. Auf genormte Flaschenformen mussten Brauereien und Verbraucher noch bis in die 1950er-Jahre warten.
Von der ehemaligen Züricher Hürlimann-Brauerei ist bekannt, dass sie 1896 insgesamt 36 000 Bierflaschen erwarb, vier Jahre später bereits 108 000 und 1926 die stolze Summe von 672 500. Flaschenbier machte in Norddeutschland 1907 bereits ca. ein Drittel des Bierabsatzes aus, 1950 waren es in der Bundesrepublik drei Viertel. Ein Pfandsystem gab es anfangs nicht, weswegen die deutschen Brauereien um 1900 einen durchschnittlichen Flaschenverlust von 6% beklagten. Gustav Stresemann, der spätere Reichskanzler, Außenminister und Friedensnobelpreisträger, war Sohn eines Biergroßhändlers und schrieb in seiner Dissertation über den Berliner Biermarkt zur selben Zeit: „Die Hausfrauen oder Dienstmädchen machen sich in vielen Fällen gar kein Gewissen daraus, die Bierflaschen zu allen möglichen Zwecken zu gebrauchen, sie holen Spiritus, Öl, Fleckenwasser etc. darin, und in der Küche prangen die dem Bierhändler gehörenden Flaschen ganz ungeniert neben anderen Utensilien. Die Arbeiter betrachten es als ihr selbstverständliches Recht, die Bierflaschen zum Einholen von Schnaps und Kaffee zu gebrauchen. Am tollsten geht es auf den Bauten zu, da wird die Flasche oft, wenn sie ausgetrunken ist, einfach auf den Boden geworfen, ob sie entzweigeht oder nicht, ist ganz gleichgültig, wenn der Kutscher des Bier-Lieferanten am nächsten Tag kommt, so kann er sich die leeren Flaschen aus allen Ecken und Winkeln des Bauplatzes zusammensuchen.“ Angesichts der hohen Preise für die Flaschen etablierte sich nach und nach ein Pfandsystem, mit dem die Schweizer 1907 den Anfang machten. Allerdings blieb das Pfand immer unter den tatsächlichen Einkaufskosten. Selbst heute kostet eine Bierflasche, für die eine Brauerei acht Cent Pfand erhält, diese zwischen 12 und 35 Cent – von den Logistik- und Reinigungskosten ganz abgesehen. Selbst eine Bierkiste kostet mindestens 3 Euro – bei 1,50 Euro Pfand.
1892 meldete der Amerikaner William Painter aus Baltimore den Kronkorken zum Patent an, der anfangs aus einer Kork- und einer Weißblechscheibe bestand, die maschinell auf einen leicht wulstigen Flaschenhals gepresst wurden. Zum Standard entwickelte sich der später mit Kunststoff statt Kork modernisierte Verschluss in Deutschland erst ab 1965, als die neu gegründete Europäische Gemeinschaft genormte Halbliterflaschen mit passendem Wulst verbindlich festlegte. Besonders wichtig war die Bierflasche seit den 1870er-Jahren für die Belegschaft der Industriebetriebe, die so ihren Durst während der Arbeit unkompliziert vor Ort stillen konnten. In Deutschland wurden die letzten Bierautomaten erst Ende der 1990er-Jahre aus den Produktionshallen verbannt.
Die Flaschenfarbe war von der ersten Flasche an wegen des natürlichen Gehalts an Eisenoxiden grün oder durch zusätzliche Schwefeloxide braun. Das hat sich bis heute gehalten, denn Tageslicht schadet dem Bier, lässt es schneller altern und ab einem gewissen Zeitpunkt auch durch den Zerfall von Hopfenbitterstoffen unerwünschte Fehlaromen entstehen. Den besten Schutz bietet eine braune Flasche, die 60–90% des Lichtes absorbiert, wohingegen das grüne Pendant nur bei 30–40% liegt. Bis in die 1970er-Jahre waren beide Varianten dennoch in etwa gleich weit verbreitet. Mittlerweile hat sich allerdings die braune Flasche durchgesetzt, Grünglas verwenden nur noch einige Großbrauereien – in erster Linie aus Marketinggründen. Einige „Szene“-Biere gibt es auch in speziell UV-beschichteten Klarglasflaschen.
Die letzte Neuerung der Biergefäße stellte die nach der Prohibition 1933 erstmals in den USA präsentierte Bierdose dar. Deren Geschichte hatte jedoch schon 1810 in England begonnen und auch in den vereinigten Staaten wurde bereits seit 1885 Kondensmilch in Dosen verkauft. Die „Gottfried Krueger Brewing Company“, 1858 von dem deutschen Einwanderer Gottfried Krüger und seinem Onkel Johannes Laible gegründet, führte als erste Brauerei der Welt am 24. Januar 1935 in Richmond, Virginia, Dosenbier auf den Markt ein. Das Öffnen erfolgte damals noch mit einem spitzen Dosenstecher. Erst 1959 entwickelte Ermal C. Fraze den Aufreißverschluss (Pull-Tab), der 1963 patentiert wurde und sich schnell international durchsetzen konnte. Schon 1965 nutzten 75% der amerikanischen Brauereien Dosen mit Frazes Öffnungsmechanismus. 1977 schließlich ließ der Amerikaner Daniel F. Cudzik den ersten „Stay-On-Tab-Verschluss“ patentieren, bei dem der Verschluss an der Dose verbleibt und kein zusätzlicher Abfall mehr anfällt, Fraze zog im selben Jahr mit einer verbesserten Version nach.
Während die Dose sich weltweit großer Beliebtheit erfreut und ca. 30% des verkauften Bieres umhüllt, führte in Deutschland die Einführung des Dosenpfandes dazu, dass die Bierdose ab 2003 nahezu völlig aus den Regalen verschwand. Der Allgäuer Brauer Heinrich Zötler III. sagte hierzu 2004 in einem Interview: „Die Dose war ein Kampfinstrument der Industriebrauer, die haben ihre Überkapazitäten darin abgefüllt, um uns rauszudrängen. Die mittelständischen Brauer werden Jürgen Trittin für das Dosenpfand ein Denkmal setzen.“ Doch die Vorteile der Getränkedose hinsichtlich des geringeren Gewichts und der besseren Stoßempfindlichkeit haben ihr auch hierzulande wieder zu einer Renaissance verholfen. Sensorisch ist die Dose übrigens das beste Bieraufbewahrungsbehältnis (Schutz vor Licht und Sauerstoff) – allerdings sollte man ein gutes Bier vor dem Trinken in ein geeigneteres Gefäß geben.
Hierfür eignen sich am besten Bierdegustationsgläser wie entweder die spezielle Graft-Glas-Serie von Spiegelau, die für jeden Bierstil das perfekte Glas bietet, oder das von den Italienern Teo Musso, einem der Brau-Pioniere Europas, und Lorenzo Dabove, einem bekannten italienischen Biersensoriker mit dem Spitznamen „Kuaska“, entwickelte TeKu-Glas. Die beiden Freunde machten sich Anfang des Jahrtausends auf die Suche nach dem idealen Glas für die Verkostung von 0,1 Liter Bier, sowohl hinsichtlich der Aromen als auch eventueller Braufehler. Musso entwickelte mehrere Prototypen, deren Eigenschaften Dabove verglich. Am Ende hatte er zwei erfolgversprechende Glasformen, deren Sieger er in einer Blindverkostung von 64 Flaschen des belgischen Trappistenbieres Orval ermittelte. In Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Rastal entstand so schließlich ein völlig neues Bierglas, das 2010 auf der BrauBeviale in Nürnberg seine Premiere feierte und in kürzester Zeit auf dem gesamten Kontinent ein Synonym für Craft-Bier geworden ist. Es gibt kaum ein Bierfestival, auf dem das TeKu-Glas – benannt nach Teo und Kuaska – nicht als Allround-Verkostungsglas eingesetzt wird. Einen anderen Weg gehen die bereits erwähnten Craft-Bier-Gläser von Spiegelau. Der Hersteller hat in monatelanger Entwicklungsarbeit seit 2013 eine Serie von Gläsern herausgebracht, die auf bestimmte Bierstile abgestimmt sind. Neben einem IPA-Glas (2013) stellen die Oberpfälzer auch ein Stout-Glas (2014), ein Witbier-Glas (2015), ein Barrel-Aged-Glas (2016) und ein Pils-Glas (2017) her. Gute Gläser sollten auf keinen Fall in einem bieraffinen Haushalt fehlen, denn es ist einfach nur schade, wenn das Aroma eines hochwertigen Bieres in einem minderwertigen Glas untergeht.
Autor: Markus Raupach
Fotograf, Journalist, Bier- und Edelbrandsommelier
Ausgezeichnet mit der Goldenen Bieridee 2015
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