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Alkoholfreies Bier

Die ersten Versuche, ein alkoholfreies Bier herzustellen, sind in Deutschland aus dem Jahr 1895 überliefert. Sie kamen entweder als „Malzgold“ oder „Reformbier“ (beide 1905) vor allem in Abstinenzwirtschaften zum Ausschank, oder wie das „Perplex“ der Flensburger Actienbrauerei (gegründet 1873, einer der beiden Vorläufer der heutigen Flensburger Brauerei) 1907 als Versuch im großen Stil, hatten dann aber nur ein kurzes Leben. Denn weder Geschmack noch Stabilität (Haltbarkeit und Klarheit) dieser mit gestoppter Gärung entstandenen Biere konnten überzeugen. 1919 stellten US-Brauer infolge der Prohibition ihr erstes Bier mit 0,5% Alkohol vor – nach den neuen Gesetzen galt dies als alkoholfrei, in Deutschland lag die Marke lange Zeit bei 0,1% Alkohol.

Doch nach dem Ende des Alkoholverbotes verschwanden auch diese US-Biere wieder vom Markt. Gegen Ende der 1930er-Jahre präsentierte schließlich die Schweizer Brauerei Gurten Bier AG aus Bern mit ihrem »Ex-Bier« das erste mittels Vakuumdestillation hergestellte alkoholfreie Bier, das aber wegen des Krieges und seiner Folgen kaum Verbreitung fand. 1962 startete Hans Hürlimann, Inhaber der gleichnamigen Brauerei in Zürich, ein eigenes Forschungsprojekt, das er aus Angst vor der Konkurrenz streng geheimhielt. Die aktuellen Unterlagen mussten stets in einem Banksafe verwahrt werden. Drei Jahre später führte er schließlich mithilfe seines Forschungsdirektors Steiner, eines Hefe-Spezialisten, sein erstes alkoholfreies Bier namens „Oro“ auf dem Schweizer Markt ein. Bei der Herstellung ließ eine spezielle Hefe kaum Alkohol entstehen, sodass der Alkoholgehalt unter 0,5% lag. Schon zwei Jahre später war Hürlimann auf dem gesamten Schweizer Markt präsent, 1968 folgte Deutschland, 1969 Österreich, 1970 Frankreich, 1971 England und 1972 die USA. Allerdings kam der Name des Biers nicht gut bei den Kunden an, weswegen ihn die Brauerei 1972 in „Birell“ änderte.

Währenddessen ließ die Entwicklung alkoholfreier Biere in Deutschland weiter auf sich warten, obwohl es einen handfesten Grund dafür gegeben hätte: Denn 1973 wurde die 20 Jahre zuvor eingeführte Promillegrenze für westdeutsche Autofahrer von 1,5 auf 0,8 Promille Blutalkohol herabgesetzt. Seit 2001 werden Fahrzeuglenkern nur noch 0,5 Promille zugestanden. Wer diesen Grenzwert am Steuer überschreitet, begeht auch ohne weiteres Vorkommnis eine Ordnungswidrigkeit, im Zweifelsfall ist der Führerschein passé. Viele osteuropäische Länder gingen sogar darüber hinaus und führten eine 0,0-Promille-Grenze ein. Diese Entwicklung blieb auch dem Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden nicht verborgen und der Wirtschaftsrat der DDR, wo ebenfalls eine 0,0-Promille-Grenze galt, dachte darüber nach, mit einem Bier für Autofahrer einen zusätzlichen Devisenbringer in das Sortiment der Autobahnraststätten aufzunehmen. Insbesondere am Hermsdorfer Kreuz, dem Dreh- und Angelpunkt des Transitverkehrs, sollte das neue Getränk zu kaufen sein.

Doch die Einführung war gar nicht so einfach. Schließlich liefen die DDR-Brauereien seit Staatsgründung mit Überlast, worunter die Qualität der Produkte deutlich litt. Ende der 1960er-Jahre ergab sich schließlich eine Gelegenheit. Tanks aus einer alten stillgelegten Brauerei wurden zur Berliner Engelhardt-Brauerei gebracht, um deren Kapazität zu erweitern. Um den dortigen Braumeister Ulrich Wappler wurde ein vierköpfiges Kollektiv gebildet, das die Aufgabe hatte, das erste deutsche alkoholfreie Bier mit maximal 0,5% Alkohol zu entwickeln. Über ein halbes Jahr studierte er Patente und Brauliteratur aus aller Welt, der direkte Kontakt mit Braumeistern aus dem Westen war ihm allerdings als Bruder von Republikflüchtlingen untersagt. Nach vielen Versuchen hatten Ulrich Wappler und seine Kollegen 1972 den ersten erfolgreichen Sud eingebraut und das Patent angemeldet. Das Bier hatte 7% Stammwürze, die Angärung wurde mit Glykol unterkühlt und gebremst, am Ende enthielt es sogar weniger als ein halbes Prozent Alkohol.

Perfekt war das Ergebnis noch nicht, umso mehr ärgerte es Wappler, dass einer seiner Kollegen während der ersten Tage der Leipziger Messe den Erfolg ausplauderte und so die DDR-Führung davon Wind bekam. Die befahl umgehend, noch während der Messe eine Präsentationsveranstaltung, was dem „AUBI“ (AUtofahrerBIer) von Anfang an einen schlechten Ruf verlieh. Denn das unfertige Ergebnis des Testsudes schmeckte noch stark nach Würze und konnte nicht viele Anhänger gewinnen. Die Kunde von Wapplers „Alkoholfreiem“ erreichte auch den Westen Deutschlands, wo bisher lediglich einige größere Brauereien Kooperationen mit Hürlimann zum Vertrieb von Birell eingegangen waren. 1975 konnte die Hümmer-Brauerei aus Dingolshausen bei Schweinfurt als erste ein eigenes alkoholfreies Bier vorstellen. Im gleichen Jahr folgten die Stuttgarter Sanwald-Brauerei mit ihrem »Pro-Bier« und die St. Martin-Brauerei aus Oberlahnstein mit »St. Martin Fit«. Diese ersten Versuche gerieten aber schnell ins Hintertreffen, als 1977 Henninger mit »Gerstel« und 1978 Binding mit »Clausthaler« auf dem deutschen Markt erschienen.

1981 verkauften die Brauereien der Bundesrepublik ca. 90.000 Hektoliter alkoholfreies Bier, davon 35% Birell, 29% Gerstel und 28% Clausthaler. 1986 präsentierte auch die irische Guinness-Brauerei mit ihrem obergärigen „Kaliber“ ein „Alkoholfreies“, um Berufstätigen in der Mittagspause folgenlosen Biergenuss bieten zu können. Wappler arbeitete unterdessen weiter an seinem Projekt, verbesserte Rezeptur und Herstellungsverfahren und taufte 1988 das AUBI in „Pilot“ um. Dieses Bier kam in der DDR wesentlich besser an und löste ein weiteres Problem des Staates. Denn in den Betrieben herrschte Alkoholverbot, aber die Hitzearbeiter in den Stahl- und Bergwerken sowie die Glasbläser wollten auf Bier während ihrer Arbeit nicht verzichten. Wapplers Bier hatte nur 0,5% Alkohol und war damit völlig unbedenklich für den Konsum in den Fabriken. Das AUBI hatte aber auch Interesse im Ausland geweckt und so lieferte die Stralauer Engelhardt-Brauerei ab 1986 „Foxy Light“ nach Michigan und „Berolina“ nach England. Im Herbst desselben Jahres krönte eine Goldmedaille der Leipziger Messe Ulrich Wapplers Arbeit.

Trotz der steigenden Nachfrage – die Jahresproduktion erreichte 1987 insgesamt 11.200 und zwei Jahre später 18.000 Hektoliter – waren keine weiteren Brauereien in der DDR für alkoholfreies Bier zu gewinnen, obwohl der Plan des Staates eine Kapazität von 100.000 Hektolitern dafür vorgesehen hatte. Denn die Bierverkaufspreise waren festgelegt. Während die Brauer ihr Pils für 1,28 Mark und ein jährliches Sonderbier gar für 1,60 Mark pro halben Liter verkaufen konnten, brachte eine Flasche AUBI oder Pilot nur 75 Pfennige. Es waren also durchaus kapitalistische Gründe, die dem alkoholfreien Bier in der DDR eine größere Karriere versagten. 1995 begannen US-Hobbybrauer, mit Rezepten für alkoholfreies Bier zu experimentieren, kurz danach brachte Erdinger das erste alkoholfreie Weizen auf den Markt und entdeckte gemeinsam mit der Universität in Weihenstephan dessen isotonische Eigenschaften. Ein neues Sportlergetränk war geboren.

Biere bis 0,5% Alkoholgehalt dürfen als alkoholfrei bezeichnet werden. Nachdem beispielsweise Fruchtsäfte durch natürliche Gärung bis zu 1% Alkohol enthalten können, muss der Alkoholgehalt bei allen anderen Getränken außer Bier erst ab 1,2% angegeben werden. Nur komplett alkoholfreie Getränke dürfen die Bezeichnung „ohne Alkohol“ führen. 2006 revolutionierte deshalb die Warsteiner Brauerei das Thema mit dem ersten nullprozentigen Bier, Bitburger folgte ein Jahr später. Auch die Craft-Bier-Welt begann mit mutigen Schritten: 2010 präsentierte BrewDog in England sein alkoholfreies IPA „Nanny State“, sechs Jahre später zogen das Brauhaus Nittenau und die Hamburger Kreativbrauerei Kehrwieder in Deutschland mit ihrem alkoholfreien Gemeinschafts-IPA „üNN“ bzw. „Le Chauffeur FreIPA“ nach.

Alkoholfreies Bier entsteht heute entweder nach Wapplers Methode der gestoppten Gärung – vor allem alkoholfreies Weißbier – oder bei der Vakuumverdampfung. Hier fließt normal gebrautes Bier durch einen senkrecht stehenden beheizten Zylinder, in dem Unterdruck herrscht. Dadurch sinkt der Siedepunkt und der Alkohol beginnt bereits bei ca. 40° C zu verdampfen. Ab 78° C kann er herausdestilliert werden, wobei allerdings auch aromaprägende Inhaltsstoffe verloren gehen. Das modernste Verfahren ist die Vakuumrektifikation. Hier werden Alkohol und Bier wie im Verstärker einer Brennerei in mehreren Schritten getrennt. Bei Unterdruck strömt normales Bier von unten in die Anlage, wird erwärmt, verdampft und kondensiert an höher gelegenen Böden. Von Stufe zu Stufe erhöht sich der Alkoholgehalt, bis er am Ende abgeleitet werden kann. Die ebenfalls entzogenen Aromen können am Ende dem entalkoholisierten Bier wieder zugesetzt werden. Alkoholfreies Bier macht über 5% des deutschen Biermarktes aus, die Tendenz ist steigend.

Autor: Markus Raupach

Fotograf, Journalist, Bier- und Edelbrandsommelier

Ausgezeichnet mit der Goldenen Bieridee 2015

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